Kinoreview: The Fighter (David O. Russel, 2010)

Schon wieder ein Boxfilm? Wieder so ein dahergekommener patriotistischer Sport-Film? Nicht ganz: David O. Russels preisgekröntes Drama „The Fighter“, welcher seit 2 Wochen in unseren Kinos läuft, ist zwar harter Boxfight, aber um einiges vielschichtiger als die übliche Konsensware. Außerdem überzeugt die Darstellerriege. Mein Review.

Dickey (Christian Bale) und Mickey Ward (Mark Wahlberg)

Sportfilme gibt es zuhauf, vom actionlastigen „Rocky“ über Mitleiderregende Dramen wie „Million Dollar Baby“ hin zu Komödien wie „Cool Runnings“. Ganz zu schweigen von hunderten TV-Filmen über irgendwelche amerikanische Lieblingssportarten, vorzugsweise Football, bei denen am Ende immer der Underdog gewinnt. Nicht viel anders könnte man die Story von Micky Ward erzählen, dem amerikanischen Boxer, der als Underdog von der Strasse Weltmeister wurde. Man könnte dies alles in schillernden Farben darstellen, etwas Pathos dazukippen, und hätte auch hier sicherlich einen funktionierenden Film. Glücklicherweise geht Russel seinen Boxerfilm The Fighter anders und unüblich an – heraus kommt ein ausgezeichnetes Darstellerwerk und ein ordentliches Stück Kino. Russel konzentriert sich völlig auf seine kleine Geschichte, und so entsteht am Ende der vielleicht beste Boxfilm seit Wie ein wilder Stier.

Mark Wahlberg spielt den emotional ruhigen, etwas stoischen irisch-stämmigen Boxer Mick(e)y, der von seiner Mutter Alice (Melissa Leo) gemanaged wird, von seinen sechs Schwestern ständig beobachtet wird, und nicht zuletzt von seinem Bruder Dickey (Christian Bale), einer lokalen Berühmtheit, trainiert wird. Dickey war selbst in früheren Zeiten ein Boxer, ist nun crackabhängig, und schafft es kaum seinem Trainerjob auch nur mit einem Stück Disziplin zu begegnen. Als schließlich ein großer Kampf aufgrund von Dickeys Fehlverhalten total in die Hose geht, und sich Mickey schließlich noch für Dickey die Hand zerschlagen lässt, zersplittet sich der Familienclan und Mickey beginnt – auch mit Hilfe seiner neuen Freundin Charleen (Amy Adams) – ein neues (Box-)Leben aufzubauen. Währenddessen dreht HBO einen Dokumentarfilm über Dickey, aber nicht über sein Comeback wie er selbst annimmt, sondern über „Crack in Amerika“ (lief wohl tatsächlich 1995 unter dem Titel „High On Crack Street: Lost Lives in Lowell“).

Während Dickey also immer mehr in die Abhängigkeit stürzt und schließlich im Gefängnis landet, ist es Mickey, der langsam zurück in die Spur findet. Mark Wahlberg spielt diesen Micky Ward toll: Stoisch und gelassen, intensiv in den Boxszenen (welche übrigens erst im letzten Drittel des Filmes einen breiteren Raum einnehmen), und auch körperlich herausragend: zwischendurch mal mit kleinem Bauch, wenig muskulös – gegen Ende toptrainiert. In fast jedem Film wäre er mit dieser Darbietung der Star gewesen, hier kämpft er quasi mit seinen Kollegen, und die liefern Höchstleistungen ab. Melissa Leo ist als etwas grantige, fürsorgliche aber auch herschsüchtige Mutter großartig, Amy Adams als Charleen zeigt mal wieder, dass sie einer der aktuellen Topschauspielerinnen Hollywoods ist. Und schlichtweg sensationell ist Christian Bale: Er hungerte sich (ähnlich wie in dem unglaublichen „The machinist“) für die Rolle herunter, lichtete sich das Haar, und spielt den crackabhängigen Freak mit einer solchen Intensität, dass es fast schon nervig ist. Immer ein fiebriger Glanz in den Augen, diese Unruhe im gesamten Körper, die Spannung, unter der auch der echte Dickey wohl stand: wahnsinnig gut. Es ist wohl nicht übertrieben, wenn ich sage: Allein für diese Darstellung lohnte sich die Kinokarte. (Bale zeigt hier wiedermals, welch wandlungsfähiger Darsteller er ist, und mit welcher Akribie er an Rollen arbeitet. Awesome!)

David O. Russel schafft es gleichzeitig sich auf seine Darsteller und die Geschichte dahinter vollständig zu konzentrieren, und einen Blick in das soziale Milieu der Arbeiterschicht und der Ward-Familie zu riskieren (Die Schwestern von Mickey und Dickey sind einfach nur grandios!). Dies gelingt außerordentlich gut. Außerdem hat mir besonders gefallen, dass es erst gegen Ende des Filmes die konventionellen Sport-Film-Szenen gibt, doch selbst diese sind sehr intensiv und packend. Zu jeder Szene ist der Film realistisch und detailgetreu, niemals ist das Tempo zu hoch oder die Schnitte zu schnell. Heraus kommt ein sehr guter, dramatischer Film, der besonders als Darstellerkino im Kopf hängen bleibt. Große Schauspielkunst, und packende Boxszenen, letztlich ist dies natürlich auch der größte Kritikpunkt: Es bleibt halt auch „nur“ ein Boxfilm, und wird sicherlich nicht so im Kopf hängen bleiben wie beispielsweise „Black swan“ oder ähnliches. Dennoch ist „The Fighter“ bestens geeignet für einen schönen Popcorn-Abend im Kino.

Ein Gedanke zu “Kinoreview: The Fighter (David O. Russel, 2010)

  1. Ah, den ‚Fighter‘ würde ich mir natürlich auch ansehen, aber er stand gestern gar nicht zur Auswahl.
    ‚World Invasion‘ kann man in etwas so zusammenfassen: 15min Story, dann 90min feinstens Alien-Geballere… ein Film, der zum Nachdenken anregt 😉

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